Philosoph Jean-Jacques Rousseau: Unterschied zwischen den Versionen

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[https://de.wikipedia.org/wiki/Jean-Jacques_Rousseau Jean-Jacques Rousseau] frz.-schweiz. Philosoph, Pädagoge und Schriftsteller (1712-1778 n.Chr.)
 
[https://de.wikipedia.org/wiki/Jean-Jacques_Rousseau Jean-Jacques Rousseau] frz.-schweiz. Philosoph, Pädagoge und Schriftsteller (1712-1778 n.Chr.)
  
"Welch rührende Anmut in seinen Belehrungen! Welche Erhabenheit in seinen Grundsätzen! Welch tiefe Weisheit in seinen Reden! Welche Geistesgegenwart, welcher Scharfsinn und welche Genauigkeit in seinen Antworten! Welche Herrschaft über seine Leidenschaften! Wo ist der Mensch, wo ist der Weise, der ohne Schwäche und ohne Übertreibung so handeln, leiden und sterben kann? Als Plato seinen Gerechten malte, wie er mit aller Schmach des Verbrechens beladen und doch jedes Lohnes der Tugend würdig ist, da malte er Zug um Zug Jesus Christus. Die Ähnlichkeit ist so auffallend, dass alle Kirchenväter sie heraus gefühlt haben und dass man sich unmöglich darin täuschen kann. Wie voreingenommen, wie blind muss man sein, wollte man dagegen (Sokrates) den Sohn des Sophroniskus mit Marias Sohn vergleichen? Welcher Abstand zwischen beiden! (...)
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"Ich lege Ihnen gern das Geständnis ab, daß mich die Majestät der heiligen Schriften in Erstaunen setzt und mir die Heiligkeit des Evangeliums zu Herzen spricht. Sehen Sie sich die Bücher der Philosophen mit all ihrer hochtrabenden Sprache an; wie unbedeutend nehmen sie sich doch neben denselben aus. Ist es möglich, daß ein so erhabenes und zugleich so einfaches Buch von Menschen berührt? Ist es möglich, daß derjenige, dessen Geschichte es erzählt, selbst nur ein Mensch ist? Ist das wohl der Ton, den ein Enthusiast oder ein ehrgeiziger Sektierer anschlägt? Welche Sanftmut! Welche Sittenreinheit! Welche rührende Anmut in seinen Unterweisungen! Welche Erhabenheit in seinen Grundsätzen! Welche tiefe Weisheit in seinen Reden! Welche Geistesgegenwart! Welche Feinheit und welches Schlagende in seinen Antworten! Welche Herrschaft über seine Leidenschaften! Wo ist der Mann, wo der Weise, der ohne Schwäche und Ostentation so zu handeln, zu leiden und zu sterben versteht? Wenn Plato sein Ideal eines Gerechten malt, der mit aller Schmach des Verbrechens überhäuft, aber doch jedes Lohnes der Tugend würdig durch das Leben geht, so zeichnet er Jesum Christum Zug für Zug. Die Aehnlichkeit ist so treffend, daß sie allen Kirchenvätern auffiel und daß man sich unmöglich darüber täuschen kann. Welche Vorurteile müssen einen Menschen erfüllen, welche Verblendung muß sich seiner bemächtigt haben, wenn er es wagt, den Sohn des Sophroniskus mit Marias Sohne zu vergleichen! Was für ein Abstand zwischen beiden! Sokrates, der ohne Schmerzen, ohne Schmach starb, führte seine Rolle mühelos bis zum Ende durch; und hätte dieser leichte Tod seinem Leben nicht zur Ehre gereicht, so könnte man gerechten Zweifel hegen, ob Sokrates mit all seinem Geiste etwas anderes als ein Sophist gewesen sei. Er erfand, wie man sagt, die Moral; andere hatten sie jedoch schon vor ihm ausgeübt. Er sprach nur aus, was sie getan hatten, und zog aus ihren Beispielen nur die Lehren. Aristides war gerecht gewesen, ehe Sokrates den Begriff der Gerechtigkeit definiert hatte; Leonidas war für sein Vaterland gestorben, ehe Sokrates die Vaterlandsliebe zur Pflicht gemacht hatte; Sparta war nüchtern, ehe Sokrates die Nüchternheit gepriesen hatte, und ehe er den Begriff der Tugend festgestellt, besaß Griechenland einen Ueberfluß an tugendhaften Menschen. Aber woher hatte Jesus unter den Seinigen diese erhabene und reine Moral genommen, zu der er allein sie durch Lehre und Vorbild anzuhalten suchte? Aus dem Schoße des gewaltigen Fanatismus heraus ließ sich die höchste Weisheit vernehmen, und die Einfachheit der heldenmütigsten Tugenden ehrte das verächtlichste aller Völker. Der Tod des Sokrates welcher eintrat, während er ruhig mit seinen Freunden philosophierte, ist der süßeste, den man sich nur wünschen kann. Der Tod Jesu dagegen, der unter Martern, geschmäht, verspottet und von seinem ganzen Volke verflucht, seinen Geist aufgab, ist der entsetzlichste, den man fürchten kann. Sokrates segnet, während er den Giftbecher ergreift, den Gefangenwärter, welcher ihm denselben unter den Tränen darreicht. Jesus betet unter den furchtbarsten Todesqualen für seine entmenschten Henker. Ja, wenn Sokrates Leben und Tod eines Weisen würdig sind, so erkennen wir bei Christo das Leben und den Tod eines Gottes."
Ehe Sokrates die Tugend definiert hat, war Griechenland reich an tugendhaften Menschen. Aber woher nahm Jesus bei den Seinen diese hohe und reine Moral, die er selber lehrte und bezeugte? Inmitten des wütendsten Fanatismus ertönte die Stimme der höchsten Weisheit. (...)
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Der Tod des ruhig mit seinen Freunden philosophierenden Sokrates ist der süßeste, den man sich wünschen kann. Der Tod Jesu, der unter Martern, Beleidigungen, Verhöhnungen und von einem ganzen Volk verflucht seinen Geist aufgab, ist der schrecklichste, den man fürchten kann. Während Sokrates den segnete, der ihm weinend den Giftbecher reichte, betete Jesus unter schrecklichen Foltern für seine blutgierigen Henker.<ref>Jesus aber betete: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! [http://www.bibleserver.com/text/EU/Lk23,34 Lk 23,34]</ref>  Wenn das Leben und der Tod von Sokrates eines Weisen würdig sind, so sind Leben und Tod von Jesus die eines Gottes."<ref>Jean-Jacques Rousseau, in: Profession de foi du vicaire Savoyard, Emile</ref><ref group="A">
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</ref><ref group="A">
 
Extrait de Emile, livre IV - Profession de foi du vicaire savoyard
 
Extrait de Emile, livre IV - Profession de foi du vicaire savoyard
  

Version vom 15. Dezember 2019, 21:14 Uhr

Jesu Leben und Tod sind eines Gottes würdig

Jean-Jacques Rousseau

Jean-Jacques Rousseau frz.-schweiz. Philosoph, Pädagoge und Schriftsteller (1712-1778 n.Chr.)

"Ich lege Ihnen gern das Geständnis ab, daß mich die Majestät der heiligen Schriften in Erstaunen setzt und mir die Heiligkeit des Evangeliums zu Herzen spricht. Sehen Sie sich die Bücher der Philosophen mit all ihrer hochtrabenden Sprache an; wie unbedeutend nehmen sie sich doch neben denselben aus. Ist es möglich, daß ein so erhabenes und zugleich so einfaches Buch von Menschen berührt? Ist es möglich, daß derjenige, dessen Geschichte es erzählt, selbst nur ein Mensch ist? Ist das wohl der Ton, den ein Enthusiast oder ein ehrgeiziger Sektierer anschlägt? Welche Sanftmut! Welche Sittenreinheit! Welche rührende Anmut in seinen Unterweisungen! Welche Erhabenheit in seinen Grundsätzen! Welche tiefe Weisheit in seinen Reden! Welche Geistesgegenwart! Welche Feinheit und welches Schlagende in seinen Antworten! Welche Herrschaft über seine Leidenschaften! Wo ist der Mann, wo der Weise, der ohne Schwäche und Ostentation so zu handeln, zu leiden und zu sterben versteht? Wenn Plato sein Ideal eines Gerechten malt, der mit aller Schmach des Verbrechens überhäuft, aber doch jedes Lohnes der Tugend würdig durch das Leben geht, so zeichnet er Jesum Christum Zug für Zug. Die Aehnlichkeit ist so treffend, daß sie allen Kirchenvätern auffiel und daß man sich unmöglich darüber täuschen kann. Welche Vorurteile müssen einen Menschen erfüllen, welche Verblendung muß sich seiner bemächtigt haben, wenn er es wagt, den Sohn des Sophroniskus mit Marias Sohne zu vergleichen! Was für ein Abstand zwischen beiden! Sokrates, der ohne Schmerzen, ohne Schmach starb, führte seine Rolle mühelos bis zum Ende durch; und hätte dieser leichte Tod seinem Leben nicht zur Ehre gereicht, so könnte man gerechten Zweifel hegen, ob Sokrates mit all seinem Geiste etwas anderes als ein Sophist gewesen sei. Er erfand, wie man sagt, die Moral; andere hatten sie jedoch schon vor ihm ausgeübt. Er sprach nur aus, was sie getan hatten, und zog aus ihren Beispielen nur die Lehren. Aristides war gerecht gewesen, ehe Sokrates den Begriff der Gerechtigkeit definiert hatte; Leonidas war für sein Vaterland gestorben, ehe Sokrates die Vaterlandsliebe zur Pflicht gemacht hatte; Sparta war nüchtern, ehe Sokrates die Nüchternheit gepriesen hatte, und ehe er den Begriff der Tugend festgestellt, besaß Griechenland einen Ueberfluß an tugendhaften Menschen. Aber woher hatte Jesus unter den Seinigen diese erhabene und reine Moral genommen, zu der er allein sie durch Lehre und Vorbild anzuhalten suchte? Aus dem Schoße des gewaltigen Fanatismus heraus ließ sich die höchste Weisheit vernehmen, und die Einfachheit der heldenmütigsten Tugenden ehrte das verächtlichste aller Völker. Der Tod des Sokrates welcher eintrat, während er ruhig mit seinen Freunden philosophierte, ist der süßeste, den man sich nur wünschen kann. Der Tod Jesu dagegen, der unter Martern, geschmäht, verspottet und von seinem ganzen Volke verflucht, seinen Geist aufgab, ist der entsetzlichste, den man fürchten kann. Sokrates segnet, während er den Giftbecher ergreift, den Gefangenwärter, welcher ihm denselben unter den Tränen darreicht. Jesus betet unter den furchtbarsten Todesqualen für seine entmenschten Henker. Ja, wenn Sokrates Leben und Tod eines Weisen würdig sind, so erkennen wir bei Christo das Leben und den Tod eines Gottes."

</ref>[A 1][1]

Quellen

Anmerkungen

  1. Extrait de Emile, livre IV - Profession de foi du vicaire savoyard "Je vous avoue aussi que la sainteté de l'Évangile est un argument qui parle à mon coeur, et auquel j'aurais même regret de trouver quelque bonne réponse. Voyez les livres des philosophes avec toute leur pompe: qu'ils sont petits près de celui-là! Se peut-il qu'un livre à la fois si sublime et si simple soit l'ouvrage des hommes? Se peut-il que celui dont il fait l'histoire ne soit qu'un homme lui-même? Est-ce là le ton d'un enthousiaste ou d'un ambitieux sectaire? Quelle douceur, quelle pureté dans ses moeurs! Quelle grâce touchante dans ses instructions! Quelle élévation dans ses maximes! Quelle profonde sagesse dans ses discours! Quelle présence d'esprit, quelle finesse et quelle justesse dans ses réponses! Quel empire sur ses passions! Où est l'homme, où est le sage qui sait agir, souffrir et mourir sans faiblesse et sans ostentation?... La mort de Socrate, philosophant tranquillement avec ses amis, est la plus douce qu'on puisse désirer; celle de Jésus expirant dans les tourments, injurié, raillé, maudit de tout son peuple, est la plus horrible qu'on puisse craindre. Socrate prenant la coupe empoisonnée bénit celui qui la lui présente et qui pleure; Jésus, au milieu d'un supplice affreux, prie pour ses bourreaux acharnés. Oui, si la vie et la mort de Socrate sont d'un sage, la vie et la mort de Jésus sont d'un Dieu."